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I | Das Zentraluniversum und Superuniversen |
II | Das Lokaluniversum |
III | Die Geschichte Urantias |
IV | Das Leben und die Lehren Jesu |
75:0.1 NACH mehr als hundert Jahren Anstrengungen konnte Adam auf Urantia außerhalb des Gartens nur sehr geringe Fortschritte feststellen; die Welt als Ganzes schien kaum Besserung zu zeigen. Die Verwirklichung einer Verbesserung der Rasse schien in weiter Ferne zu liegen, und die Situation erschien so verzweifelt, als verlange sie zur ihrer Entspannung irgendetwas, das in den ursprünglichen Plänen nicht vorgesehen war. Solche Gedanken waren es zumindest, die häufig durch Adams Kopf gingen, und er äußerte sich Eva gegenüber in diesem Sinne viele Male. Adam und seine Gefährtin waren loyal, aber sie waren von ihresgleichen abgeschnitten, und sie waren tief betrübt über den erbärmlichen Zustand ihrer Welt.
75:1.1 Die adamische Mission auf der von der Rebellion gezeichneten, isolierten Experimentierwelt Urantia war ein ungeheures Unternehmen. Der Materielle Sohn und die Materielle Tochter wurden sich sehr bald der Schwierigkeit und Komplexität ihrer planetarischen Aufgabe bewusst. Dessen ungeachtet machten sie sich mutig an die Lösung ihrer mannigfaltigen Probleme. Aber als sie sich der äußerst wichtigen Aufgabe zuwandten, die menschlichen Erblinien von Geschädigten und Degenerierten zu befreien, waren sie völlig bestürzt. Sie konnten keinen Weg aus dem Dilemma sehen, und sie konnten weder auf Jerusem noch auf Edentia bei ihren Vorgesetzten Rat einholen. Da waren sie nun also, isoliert und Tag für Tag irgendeiner neuen und verzwickten Situation, irgendeinem unlösbar scheinenden Problem gegenübergestellt.
75:1.2 Unter normalen Bedingungen wäre die erste Aufgabe eines Planetarischen Adams und einer Planetarischen Eva die Koordinierung und Durchmischung der Rassen gewesen. Aber auf Urantia schien ein derartiges Projekt so gut wie hoffnungslos, weil die Rassen, obwohl biologisch tauglich, nie von ihren zurückgebliebenen und geschädigten Linien gereinigt worden waren.
75:1.3 Adam und Eva befanden sich auf einer für die Verkündigung der Bruderschaft unter den Menschen völlig unvorbereiteten Sphäre, auf einer in tiefer geistiger Finsternis herumtappenden Welt, auf welcher der Fluch einer Verwirrung lag, die durch das Scheitern der Sendung der vorausgehenden Verwaltung nur noch größer geworden war. Denken und Sittlichkeit befanden sich auf einem sehr niedrigen Stand, und anstatt sich an die Schaffung religiöser Einheit machen zu können, mussten sie mit dem Werk, die Bewohner zu den einfachsten Formen religiösen Glaubens zu bekehren, wieder ganz von vorne beginnen. Anstatt schon eine zur Übernahme geeignete Sprache vorzufinden, standen sie einem weltweiten Wirrwarr von Hunderten und Aberhunderten lokaler Dialekte gegenüber. Kein auf einem Planeten dienender Adam wurde je in einer schwierigeren Welt eingesetzt; die Hindernisse schienen unüberwindlich und die Probleme das Lösungsvermögen von Geschöpfen völlig zu übersteigen.
75:1.4 Sie waren von allem abgeschnitten, und dieses auf ihnen lastende, entsetzliche Gefühl des Verlassenseins wurde durch die frühe Abreise der Melchisedek-Treuhänder nur noch verstärkt. Sie konnten nur indirekt durch Einschaltung der Engelsordnungen mit irgendwelchen Wesen außerhalb des Planeten kommunizieren. Langsam schwand ihr Mut, ihr Geist erschlaffte, und manchmal geriet ihr Glaube beinahe ins Wanken.
75:1.5 Und das ist die wahre Schilderung der Bestürzung, die über diese beiden edlen Seelen kam, wenn sie über die Aufgaben nachsannen, denen sie sich gegenüber sahen. Sie waren sich beide sehr klar bewusst, was für ein gewaltiges Unternehmen die Erfüllung ihres planetarischen Amtes darstellte.
75:1.6 Wahrscheinlich sah sich in ganz Nebadon nie ein Materielles Paar einer so schwierigen und derart hoffnungslosen Aufgabe gegenüber wie Adam und Eva beim Anblick der traurigen Lage Urantias. Aber sie hätten eines Tages Erfolg gehabt, wären sie nur weitblickender und geduldiger gewesen. Alle beide, Eva insbesondere, waren zu ungeduldig; sie waren nicht willens, sich in Ruhe auf eine lange, lange Geduldsprobe einzustellen. Sie wünschten irgendwelche raschen Ergebnisse zu sehen, und sie sollten sie tatsächlich sehen, aber die auf diesem Wege erreichten Ergebnisse stellten sich für sie selber wie für ihre Welt als verheerend heraus.
75:2.1 Caligastia stattete dem Garten häufige Besuche ab und traf sich zu vielen Besprechungen mit Adam und Eva, aber sie blieben unerbittlich gegenüber all seinen Kompromissvorschlägen und Abkürzungsabenteuern. Sie hatten genügend Ergebnisse der Rebellion vor Augen, um gegen alle derartigen einschmeichelnden Vorschläge gefeit zu sein. Nicht einmal die jungen Sprösslinge Adams ließen sich durch Daligastias Annäherungsversuche beirren. Und natürlich besaßen weder Caligastia noch sein Gefährte die Macht, irgendjemanden gegen seinen Willen zu beeinflussen, und noch weniger, Adams Kinder zu üblem Tun zu überreden.
75:2.2 Es muss daran erinnert werden, dass Caligastia immer noch den Titel eines Planetarischen Fürsten Urantias trug, dass er ein irregeführter, aber dennoch hoher Sohn des Lokaluniversums war. Endgültig abgesetzt wurde er erst zu der Zeit, als Christus Michael auf Erden weilte.
75:2.3 Aber der gefallene Fürst war hartnäckig und entschlossen. Bald gab er es auf, Adam bearbeiten zu wollen, und entschied sich, es mit einem gerissenen Seitenangriff auf Eva zu versuchen. Der Teufel kam zu dem Schluss, dass die einzige Hoffnung auf Erfolg in der geschickten Einsetzung geeigneter Personen lag, die der Oberschicht der Noditengruppe angehörten, den Abkömmlingen seiner einstigen Mitarbeiter im körperlichen Stab. Und dementsprechend wurden Pläne geschmiedet, um die Mutter der violetten Rasse zu verführen.
75:2.4 Eva hatte nicht im Entferntesten die Absicht, irgendetwas zu tun, was hätte gegen Adams Pläne verstoßen oder die ihnen beiden anvertraute planetarische Aufgabe aufs Spiel setzen können. Im Wissen um die Neigung der Frau, unmittelbare Ergebnisse sehen zu wollen, anstatt mit Weitblick für in fernerer Zukunft liegende Resultate zu planen, hatten die Melchisedeks vor ihrer Abreise Eva eigens vor den besonderen Gefahren gewarnt, denen sie in ihrer isolierten Stellung auf dem Planeten ausgesetzt war, und sie hatten sie insbesondere ermahnt, nie von der Seite ihres Gatten zu weichen, d. h. es nie mit persönlichen oder geheimen Methoden zur Förderung ihrer gemeinsamen Unternehmungen versuchen zu wollen. Eva hatte sich über hundert Jahre lang peinlichst an diese Weisungen gehalten, und es wäre ihr nie eingefallen, dass mit den immer privateren und vertraulicheren Besuchen, derer sie sich von Seiten eines Noditenführers namens Serapatatia erfreute, irgendwelche Gefahren verbunden sein könnten. Die ganze Angelegenheit entwickelte sich so allmählich und natürlich, dass Eva völlig überrascht wurde.
75:2.5 Die Gartenbewohner hatten seit den frühen Tagen Edens mit den Noditen in Kontakt gestanden. Sie hatten von diesen gemischten Nachfahren der pflichtvergessenen Stabsmitglieder Caligastias viel wertvolle Hilfe und Kooperationsbereitschaft empfangen, und gerade durch sie sollte jetzt der völlige Ruin und schließliche Untergang der edenischen Ordnung herbeigeführt werden.
75:3.1 Adam hatte seine ersten hundert Jahre auf Erden gerade beendet, als Serapatatia nach dem Tode seines Vaters die Führung des westlichen oder syrischen Bundes von Noditenstämmen übernahm. Serapatatia war ein Mann von brauner Hautfarbe, ein glänzender Abkömmling des einstigen Chefs der Gesundheitskommission Dalamatias, und er war mit einer der hervorragendsten Frauengestalten der blauen Rasse jener fernen Tage verheiratet. Durch alle Zeitalter hindurch hatte diese Linie die Herrschaft innegehabt und bei den westlichen Noditenstämmen einen großen Einfluss ausgeübt.
75:3.2 Serapatatia hatte den Garten mehrmals besucht, und die Rechtschaffenheit von Adams Sache hatte ihn tief beeindruckt. Und kurz nachdem er die Führung der syrischen Noditen übernommen hatte, gab er seine Absicht bekannt, den Anschluss an das Werk Adams und Evas im Garten zu suchen. Die Mehrheit seines Volkes war mit ihm in diesem Vorhaben einig, und Adam war beglückt über die Nachricht, dass der mächtigste und intelligenteste aller Nachbarstämme fast geschlossen auf die Unterstützung des Weltverbesserungsprogramms eingeschwenkt war; es war entschieden ermutigend. Und kurz nach diesem großen Ereignis wurde Serapatatia samt seinem neuen Stab von Adam und Eva in ihrem eigenen Heim empfangen.
75:3.3 Serapatatia wurde einer der fähigsten und tüchtigsten aller Leutnants Adams. Er war in all seinem Tun ganz und gar aufrichtig und grundehrlich; er war sich nie bewusst, auch später nicht, dass der durchtriebene Caligastia sich seiner als eines von den Umständen gelieferten Werkzeugs bediente.
75:3.4 Bald wurde Serapatatia Mitverantwortlicher der edenischen Kommission für Stammesbeziehungen, und es wurden viele Pläne ausgearbeitet, um das Werk, die entfernten Stämme für die Sache des Gartens zu gewinnen, tatkräftiger voranzutreiben.
75:3.5 Er traf sich mit Adam und Eva - insbesondere mit Eva - zu etlichen Besprechungen, und sie gingen viele Pläne zur Verbesserung ihrer Methoden durch. Eines Tages fiel es Serapatatia während eines Gesprächs mit Eva ein, dass es sehr hilfreich wäre, wenn während der Wartezeit, bis Angehörige der violetten Rasse in großer Zahl zur Verfügung stünden, etwas getan werden könnte, um die bedürftigen, wartenden Stämme unverzüglich voranzubringen. Serapatatia machte geltend, dass wenn die Noditen als fortschrittlichste und kooperationswilligste Rasse einen halb der violetten Rasse entstammenden Führer haben könnten, dies ein mächtiges Band darstellen würde, welches diese Völker enger an den Garten bände. Und all das wurde ganz nüchtern und ehrlich als etwas betrachtet, was der Welt zum Guten gereichen würde, da dieses Kind, einmal im Garten großgezogen und ausgebildet, einen mächtigen und wohltuenden Einfluss auf das Volk seines Vaters ausüben würde.
75:3.6 Es sollte einmal mehr unterstrichen werden, dass Serapatatia in allem, was er vorschlug, durch und durch ehrlich und aufrichtig war. Er ahnte nie, dass er Caligastia und Daligastia in die Hände arbeitete. Serapatatia hielt in aller Treue an dem Plan fest, der den Aufbau einer starken Reserve der violetten Rasse vorsah, bevor an eine weltweite Höherstufung der durcheinandergebrachten Völker Urantias gedacht werden konnte. Aber dazu waren Hunderte von Jahren erforderlich, und er war ungeduldig; er wollte sofortige Resultate sehen - irgendetwas schon zu seinen Lebzeiten. Er machte Eva klar, dass Adam wegen des Wenigen, das zur Verbesserung der Welt geschehen war, oft entmutigt war.
75:3.7 Über fünf Jahre lang reiften diese Pläne im Verborgenen heran. Endlich hatten sie den Punkt erreicht, wo Eva einer geheimen Zusammenkunft mit Kano zustimmte, dem glänzendsten und rührigsten Führer der benachbarten Kolonie freundlich gesinnter Noditen. Kano brachte der adamischen Ordnung große Sympathien entgegen; er war tatsächlich der aufrichtige geistige Führer dieser benachbarten Noditen, die zu freundschaftlichen Beziehungen mit dem Garten bereit waren.
75:3.8 Die schicksalhafte Begegnung fand in der Dämmerstunde eines Herbstabends unweit von Adams Heim statt. Eva war dem schönen und enthusiastischen Kano nie zuvor begegnet - in ihm überlebte auf prachtvolle Weise der edle Körperbau und überragende Intellekt seiner fernen Vorfahren vom fürstlichen Stab. Und auch Kano glaubte voll und ganz an die Redlichkeit des Projektes Serapatatias. (Außerhalb des Gartens war geschlechtlicher Verkehr mit mehreren Partnern gängige Praxis.)
75:3.9 Unter dem Einfluss von Schmeichelei, Enthusiasmus und großer persönlicher Überzeugungskraft fand sich Eva dann und dort bereit, sich in die vieldiskutierte Unternehmung einzulassen und dem größeren und weiterreichenden göttlichen Plan ihren eigenen kleinen Weltrettungsplan beizufügen. Bevor ihr völlig bewusst wurde, was vor sich ging, war der schicksalschwere Schritt getan. Es war geschehen.
75:4.1 Das himmlische Leben des Planeten geriet in Aufregung. Adam erkannte, dass etwas nicht stimmte, und er bat Eva, zu ihm in den Garten zu kommen. Und nun erfuhr Adam zum ersten Mal die ganze Geschichte von dem seit langem verfolgten Plan zur Beschleunigung der Weltverbesserung durch gleichzeitiges Vorgehen in doppelter Richtung: durch Verfolgung des göttlichen Planes und parallele Ausführung des Unternehmens Serapatatias.
75:4.2 Als der Materielle Sohn und die Materielle Tochter im vom Mondlicht überfluteten Garten in dieser Weise Austausch pflegten, tadelte "die Stimme im Garten" sie wegen Ungehorsams. Und diese Stimme war keine andere als meine eigene Bekanntgabe an das edenische Paar, dass es das Abkommen des Gartens übertreten hatte, dass es den Weisungen der Melchisedeks nicht gehorcht und sich gegen sein dem Souverän des Universums abgegebenes Treuegelübde vergangen hatte.
75:4.3 Eva hatte eingewilligt, sich an der Ausübung des Guten und des Üblen zu beteiligen. Das Gute ist die Ausführung des göttlichen Plans; Sünde ist die vorsätzliche Übertretung des göttlichen Willens; das Übel ist die Fehlanpassung von Plänen, die falsche Anwendung von Techniken, aus denen universelle Disharmonie und planetarische Verwirrung folgen.
75:4.4 Jedesmal, wenn das Paar des Gartens von der Frucht des Baums des Lebens genossen hatte, war es vom Wächter-Erzengel gewarnt worden, sich davor zu hüten, den Einflüsterungen Caligastias zu erliegen, das Gute mit Üblem verbinden zu wollen. Sie waren mit diesen Worten ermahnt worden: "An dem Tage, da ihr Gutes mit Üblem vermengt, werdet ihr mit Sicherheit so werden wie die Sterblichen der Welt; ihr werdet mit Sicherheit sterben."
75:4.5 Eva hatte mit Kano anlässlich ihrer schicksalhaften geheimen Begegnung über diese oft wiederholte Warnung gesprochen, aber Kano, der weder um Wichtigkeit noch Bedeutung solcher Mahnungen wusste, hatte ihr versichert, dass Männer und Frauen mit guten Motiven und lauteren Absichten nichts Schlechtes begehen könnten; dass sie bestimmt nicht sterben, sondern von neuem in ihren Nachkommen leben werde, die zum Segen und zur Stabilisierung der Welt heranwachsen würden.
75:4.6 Obwohl dieses Projekt der Modifizierung des göttlichen Planes in vollkommener Ehrlichkeit erdacht und durchgeführt wurde und nur den edelsten, auf das Wohl der Welt bedachten Beweggründen entsprungen war, stellte es das Üble dar, weil es der falsche Weg zu guten Zwecken war, weil es sich vom geraden Weg, vom göttlichen Plan entfernte.
75:4.7 Es ist wahr, dass Eva am Anblick Kanos Gefallen fand und sich gewinnen ließ für alles, was ihr Verführer versprach aufgrund eines "neuen und umfassenderen Wissens um menschliche Angelegenheiten und eines unmittelbareren Verständnisses der menschlichen Natur, welche ergänzend zum Verstehen der adamischen Natur hinzutreten würden".
75:4.8 An jenem Abend sprach ich im Garten zum Vater und zur Mutter der Violetten Rasse, wie mein Dienst es mir unter diesen traurigen Umständen gebot. Ich hörte mir die ganze Erzählung all dessen an, was zur Verfehlung von Mutter Eva geführt hatte, und ich gab beiden ihre unmittelbare Lage betreffende Ratschläge und Empfehlungen. Einige dieser Ratschläge befolgten sie, andere ließen sie unbeachtet. Diese Unterredung erscheint in euren Schriften als "Gott der Herr, der Adam und Eva im Garten ruft und fragt: `Wo seid ihr?' " Spätere Generationen pflegten alles Ungewöhnliche und Außerordentliche, ob natürlichen oder geistigen Ursprungs, direkt dem persönlichen Eingreifen der Götter zuzuschreiben.
75:5.1 Evas Desillusionierung war wahrhaft erschütternd. Adam erkannte das Ausmaß der misslichen Lage und empfand, obwohl gebrochenen Herzens und niedergeschmettert, für seine verirrte Gefährtin nur Mitleid und Mitgefühl.
75:5.2 Im verzweifelten Bewusstsein seines Scheiterns suchte Adam am Tag nach Evas Fehltritt Laotta auf, eine glänzende noditische Frau, die den westlichen Schulen des Gartens vorstand, und beging mit ihr vorsätzlich die gleiche Torheit wie Eva. Aber versteht das nicht falsch; Adam war nicht betört; er wusste genau, was er tat; er wollte ganz bewusst Evas Los teilen. Er liebte seine Gattin mit übermenschlicher Liebe, und der Gedanke an die Möglichkeit einer einsamen Wache auf Urantia ohne sie war mehr, als er ertragen konnte.
75:5.3 Als sie erfuhren, was mit Eva geschehen war, waren die erzürnten Bewohner des Gartens nicht mehr zu halten, und sie erklärten der benachbarten noditischen Niederlassung den Krieg. Sie stürzten sich aus den Toren Edens, fielen über diese unvorbereiteten Menschen her und brachten sie alle um - kein einziger, weder Mann, Frau noch Kind, wurde verschont. Und auch Kano, der Vater des ungeborenen Kain, kam um.
75:5.4 Mit Bestürzung kam Serapatatia zu Bewusstsein, was geschehen war, und er geriet außer sich vor Furcht und Gewissensbissen. Am nächsten Tag ertränkte er sich im großen Fluss.
75:5.5 Adams Kinder versuchten, ihre Mutter, die wie von Sinnen war, zu trösten, während ihr Vater dreißig Tage lang einsam umherwanderte. Am Ende dieser Zeit setzte sich das gesunde Urteil durch, und Adam kehrte nach Hause zurück und begann mit der Planung ihres zukünftigen Vorgehens.
75:5.6 So oft teilen unschuldige Kinder die Folgen der Torheiten ihrer irregeleiteten Eltern. Die rechtschaffenen, edlen Söhne und Töchter Adams und Evas waren überwältigt vom unerklärlichen Leid der unglaublichen Tragödie, die so plötzlich und mitleidlos über sie hereingebrochen war. Noch fünfzig Jahre danach hatten sich die älteren dieser Kinder nicht von dem Schmerz und der Trauer dieser tragischen Tage erholt, insbesondere vom Entsetzen jener Zeitspanne von dreißig Tagen, während der ihr Vater von zu Hause abwesend war, derweil ihre verzweifelte Mutter in völliger Ungewissheit über seinen Aufenthaltsort und sein Schicksal blieb.
75:5.7 Und ebendiese dreißig Tage waren für Eva wie lange Jahre des Grams und des Leids. Nie hat sich diese edle Seele vollkommen von den Wirkungen dieser qualvollen Periode mentalen Leidens und geistigen Kummers erholt. Keine Einzelheit ihrer später ausgestandenen Entbehrungen und materiellen Not reichten in Evas Erinnerung auch nur annähernd an jene schrecklichen Tage und entsetzlichen Nächte der Verlassenheit und unerträglichen Ungewissheit heran. Sie erfuhr von der Kurzschlusshandlung Serapatatias und wusste nicht, ob ihr Lebensgefährte sich aus Schmerz umgebracht hatte oder zur Strafe für ihren Fehltritt von der Welt entfernt worden war. Aber als Adam zurückkehrte, empfand Eva eine beglückende Freude und Dankbarkeit, die auch ein Leben beschwerlichen Dienens in langer und schwieriger Partnerschaft nie auszulöschen vermochte.
75:5.8 Die Zeit verstrich, aber Adam war sich der Natur ihres Vergehens nicht sicher, bis siebzig Tage nach Evas Verfehlung die Melchisedek-Treuhänder nach Urantia zurückkehrten und die Gerichtsbarkeit über die Weltangelegenheiten an sich nahmen. Jetzt wusste er, dass sie gefehlt hatten.
75:5.9 Aber noch mehr Unheil braute sich zusammen: Es dauerte nicht lange, bis die Nachricht von der Vernichtung der Noditenniederlassung bei Eden zu den im Norden wohnenden, heimatlichen Stämmen Serapatatias gelangte, und bald versammelte sich eine große Kriegerschar, um gegen den Garten loszuziehen. Und das war nur der Beginn einer langen und erbitterten Fehde zwischen Adamiten und Noditen, denn diese Feindseligkeiten gingen noch lange weiter, nachdem Adam mit seinen Gefolgsleuten in den zweiten Garten des Euphrattals ausgewandert war. Es bestand eine intensive und dauernde "Feindschaft zwischen jenem Mann und der Frau, zwischen seinen Nachkommen und ihren Nachkommen".
75:6.1 Als Adam erfuhr, dass die Noditen heranrückten, suchte er Rat bei den Melchisedeks, aber sie weigerten sich, ihm welchen zu geben. Sie sagten ihm nur, er solle tun, was ihm am besten schiene, und versprachen ihm im Rahmen des Möglichen ihre freundliche Unterstützung für jeden von ihm eingeschlagenen Weg. Es war den Melchisedeks untersagt worden, sich in die persönlichen Pläne Adams und Evas einzumischen.
75:6.2 Adam wusste, dass er und Eva gefehlt hatten. Das sagte ihm die Anwesenheit der Melchisedek-Treuhänder, obwohl er immer noch nichts über ihrer beider persönlichen Status oder künftiges Schicksal wusste. Er besprach sich eine ganze Nacht lang mit rund zwölfhundert ergebenen Getreuen, die ihrem Führer zu folgen gelobten, und am Mittag des nächsten Tages zogen diese Pilger aus Eden auf der Suche nach einer neuen Heimat aus. Adam mochte keinen Krieg, und so entschloss er sich, den Noditen den ersten Garten kampflos zu überlassen.
75:6.3 Am dritten Tag nach Verlassen des Gartens wurde die edenische Karawane durch die Ankunft seraphischer Transporte aus Jerusem angehalten. Und zum ersten Mal wurden Adam und Eva darüber informiert, was mit ihren Kindern geschehen sollte. Während die Transportengel bereitstanden, wurde jenen Kindern, die das Wahlalter (zwanzig Jahre) erreicht hatten, freigestellt, entweder mit ihren Eltern auf Urantia zu bleiben oder Mündel der Allerhöchsten Norlatiadeks zu werden. Zwei Drittel entschieden sich dafür, nach Edentia zu gehen; ungefähr ein Drittel zog es vor, bei den Eltern zu bleiben. Alle Kinder im Vorwahlalter wurden nach Edentia gebracht. Niemand konnte die schmerzliche Trennung des Materiellen Sohnes und der Materiellen Tochter von ihren Kindern mitansehen, ohne sich bewusst zu werden, dass der Weg eines Gesetzesübertreters hart ist. Diese Nachkommen Adams und Evas befinden sich jetzt auf Edentia; wir wissen nicht, was für sie geplant ist.
75:6.4 Es war eine traurige, sehr traurige Karawane, die sich zur Weiterreise anschickte. Kann man sich eine größere Tragik vorstellen! Mit so hohen Erwartungen auf eine Welt gekommen und so verheißungsvoll empfangen worden zu sein, um dann in Ungnade aus Eden ausziehen zu müssen und sogar noch vor dem Finden einer neuen Bleibe über drei Viertel seiner Kinder zu verlieren!
75:7.1 Während jener Rast der edenischen Karawane wurden Adam und Eva auch über die Natur ihrer Übertretung informiert und über ihr Schicksal ins Bild gesetzt. Gabriel erschien, um das Urteil zu verkünden. Und dies war der Richterspruch: Der Planetarische Adam und die Planetarische Eva Urantias werden der Verfehlung für schuldig befunden; sie haben das Abkommen der Treuhandverwaltung als Herrscher dieser bewohnten Welt verletzt.
75:7.2 Bei allen auf ihnen lastenden Schuldgefühlen bereitete ihnen doch die Ankündigung große Freude, dass ihre Richter auf Salvington sie von allen Anklagen, "die Universumsregierung zu missachten", freigesprochen hatten. Sie waren nicht der Rebellion für schuldig befunden worden.
75:7.3 Das edenische Paar wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass es sich selber zum Status von Sterblichen der Welt degradiert hatte, sich fortan als ein Mann und eine Frau Urantias zu verhalten hatte und mit derselben Zukunft wie die Rassen der Welt rechnen musste.
75:7.4 Lange bevor Adam und Eva Jerusem verließen, hatten ihre Lehrmeister ihnen die Folgen jeder wesentlichen Abweichung von den göttlichen Plänen gründlich erklärt. Ich hatte sie persönlich vor und nach ihrer Ankunft auf Urantia wiederholt gewarnt, dass eine Reduzierung auf den Status eines Sterblichen das gewisse Resultat, die mit Sicherheit zu erwartende Strafe wäre, die zwangsläufig mit einer Verfehlung bei der Ausübung ihrer planetarischen Sendung einherginge. Aber den Unsterblichkeitsstatus der materiellen Sohnesordnung zu verstehen ist wesentlich, um die Folgen der Verfehlung Adams und Evas klar zu begreifen.
75:7.5 1. Wie ihresgleichen auf Jerusem unterhielten Adam und Eva ihren Unsterblichkeitsstatus durch intellektuelle Einbindung in den Verstandesgravitationskreis des Geistes. Wenn diese lebenswichtige Stütze durch mentale Abkoppelung wegfällt, geht der Immortalitätsstatus verloren, welches auch immer die geistige Ebene der Geschöpfesexistenz ist. Der Status Sterblicher, gefolgt von physischer Auflösung, war die unvermeidliche Folge der intellektuellen Verfehlung Adams und Evas.
75:7.6 2. Da der Materielle Sohn und die Materielle Tochter Urantias auch in der Gestalt von Sterblichen dieser Welt personifiziert waren, hingen sie zusätzlich von der Aufrechterhaltung eines doppelten Zirkulationssystems ab, von denen eines in ihrer physischen Natur lag, während das andere von der in der Frucht des Lebensbaumes gespeicherten Überenergie gespeist wurde. Immer wieder hatte der Wächter-Erzengel Adam und Eva daran erinnert, dass ein Treuebruch auf eine Statusherabsetzung hinausliefe, und so wurde ihnen der Zugang zu dieser Energiequelle nach ihrer Verfehlung verwehrt.
75:7.7 Es gelang Caligastia, Adam und Eva in die Falle zu locken, aber er verfehlte sein Ziel, sie zu offener Auflehnung gegen die Universumsregierung zu verführen. Was sie getan hatten, war in der Tat schlecht, aber sie machten sich nie der Wahrheitsverachtung schuldig, noch rebellierten sie bewusst gegen die gerechte Herrschaft des Universalen Vaters und seines Schöpfersohnes.
75:8.1 Adam und Eva fielen tatsächlich von ihrem hohen Stand Materieller Söhne herab auf den niedrigen Status sterblicher Menschen. Aber das war nicht der Sündenfall. Trotz der unmittelbaren Konsequenzen der adamischen Verfehlung ist die menschliche Rasse veredelt worden. Obwohl der göttliche Plan, der den Völkern Urantias die violette Rasse schenken wollte, fehlschlug, haben die sterblichen Rassen doch gewaltigen Nutzen aus dem beschränkten Beitrag Adams und seiner Nachkommen an die Rassen Urantias gezogen.
75:8.2 Es hat keinen "Sündenfall" gegeben. Die Geschichte der menschlichen Rasse ist eine Geschichte fortschreitender Evolution, und die adamische Hingabe brachte den Völkern der Welt verglichen mit ihrer früheren biologischen Verfassung eine große Verbesserung. Die höher stehenden Bevölkerungsanteile Urantias besitzen jetzt Erbfaktoren, die aus nicht weniger als vier getrennten Quellen stammen: von den Andoniten, den Sangikvölkern, den Noditen und den Adamiten.
75:8.3 Adam sollte nicht als jemand betrachtet werden, der über die menschliche Rasse einen Fluch gebracht hat. Obwohl er bei der Verfolgung des göttlichen Planes fehlte, obwohl er seinen Vertrag mit der Gottheit verletzte, obwohl er und seine Gattin zwar auf einen niedrigeren Geschöpfesstatus degradiert wurden, hat trotz alledem ihr Beitrag an die menschliche Rasse viel bewirkt, um die Zivilisation Urantias voranzubringen.
75:8.4 Wenn man die Ergebnisse der adamischen Mission auf eurer Welt abwägt, verlangt es die Gerechtigkeit, die auf dem Planeten herrschenden Zustände zu berücksichtigen. Adam sah sich einer nahezu hoffnungslosen Aufgabe gegenüber, als er mit seiner schönen Gefährtin von Jerusem auf diesen verfinsterten und wirren Planeten gebracht wurde. Aber hätten sie sich durch den Rat der Melchisedeks und deren Mitarbeiter führen lassen und wären sie geduldiger gewesen, hätten sie letztenendes Erfolg gehabt. Aber Eva lieh ihr Ohr heimtückischer Propaganda von persönlicher Freiheit und planetarischer Handlungsfreiheit. Sie ließ sich dazu verleiten, mit dem Lebensplasma der materiellen Sohnesordnung zu experimentieren, indem sie diesem ihr anvertrauten Leben erlaubte, sich vorzeitig zu vermengen mit demjenigen der damaligen aus den ursprünglichen Plänen der Lebensbringer hervorgegangen gemischten Ordnung, welchem zuvor dasjenige der fortpflanzungsfähigen Wesen vom einstigen Stab des Planetarischen Fürsten beigemischt worden war.
75:8.5 Nie werdet ihr während eures ganzen Aufstiegs zum Paradies irgendetwas gewinnen, wenn ihr aus Ungeduld versucht, den bestehenden göttlichen Plan durch Abkürzungen, persönliche Erfindungen oder andere Kunstgriffe zu umgehen, um damit den Weg der Vollkommenheit, den Weg zur Vollkommenheit, den Weg für die ewige Vollkommenheit zu ebnen.
75:8.6 Alles in allem hat es wohl nie auf einem Planeten in ganz Nebadon eine entmutigendere Entfernung von der Weisheit gegeben. Aber es ist weiter nicht erstaunlich, dass in den Angelegenheiten der evolutionären Universen solche Fehltritte vorkommen. Wir sind Teil einer gigantischen Schöpfung, und es ist nicht verwunderlich, dass sich nicht alles in Vollkommenheit abspielt; unser Universum wurde nicht in Vollkommenheit erschaffen. Die Vollkommenheit ist unser ewiges Ziel, nicht unser Ursprung.
75:8.7 Wenn dies ein mechanistisches Universum wäre, wenn der Erste Zentrale Ursprung nur eine Kraft und nicht auch eine Persönlichkeit wäre, wenn die ganze Schöpfung eine gewaltige Ansammlung physischer Materie wäre, beherrscht von genauen Gesetzen, die durch unveränderliche Energieaktionen charakterisiert würden, dann könnte Vollkommenheit herrschen, sogar trotz des unvollständigen Universumsstatus. Es gäbe keine Meinungsverschiedenheit; es gäbe keine Reibung. Aber in unserem sich entwickelnden Universum relativer Vollkommenheit und Unvollkommenheit freuen wir uns darüber, dass Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse möglich sind, denn sie sind der Beweis für die Tatsache und das Handeln der Persönlichkeit im Universum. Und wenn unsere Schöpfung eine durch die Persönlichkeit beherrschte Existenz ist, dann könnt ihr der Möglichkeiten des Fortlebens, des Fortschritts und der Vollendung der Persönlichkeit sicher sein; wir können Vertrauen haben in das Wachstum, die Erfahrung und das Abenteuer der Persönlichkeit. Was für ein herrliches Universum, da es persönlich und im Fortschritt begriffen ist und nicht nur mechanisch oder gar auf passive Art vollkommen!
75:8.8 [Dargeboten von Solonia, der seraphischen "Stimme im Garten".]