Urantia Buch

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Kapitel 71
  Die Entwicklung des Staates 


Das Urantia Buch
I Das Zentraluniversum und Superuniversen
II Das Lokaluniversum
III Die Geschichte Urantias
IV Das Leben und die Lehren Jesu

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71    Die Entwicklung des Staates 
    71.1  Der embryonale Staat
    71.2  Die Evolution der repräsentativen Regierung
    71.3  Die Ideale des Staates
    71.4  Die fortschreitende Zivilisation
    71.5  Die Entwicklung des Wettbewerbs
    71.6  Das Gewinnmotiv
    71.7  Erziehung
    71.8  Das Wesen der Staatlichkeit

71:0.1 DER Staat ist eine nützliche Entwicklung der Zivilisation; er stellt den eindeutigen Gewinn dar, den die Gesellschaft aus den Verwüstungen und Leiden des Krieges gezogen hat. Sogar die Staatskunst ist nur die angesammelte Technik zur Harmonisierung des wetteifernden Kräftemessens zwischen streitenden Stämmen und Nationen.

71:0.2 Der moderne Staat ist die Institution, die im langen Ringen um Gruppenmacht überlebt hat. Die überlegene Macht hat schließlich obsiegt und ein Tatsachengeschöpf - den Staat - hervorgebracht, zusammen mit dem sittlichen Mythos der absoluten Verpflichtung des Bürgers, für den Staat zu leben und zu sterben. Aber der Staat ist nicht göttlichen Ursprungs; er ist nicht einmal das Produkt eines intelligenten menschlichen Willensaktes; er ist eine rein evolutionäre Institution und hatte eine ganz und gar automatische Entstehung.

71.1  Der embryonale Staat

71:1.1 Der Staat ist eine territoriale, soziale, regulierende Organisation, und der stärkste, leistungsfähigste und dauerhafteste Staat besteht aus einer einzigen Nation, deren Menschen dieselbe Sprache sprechen und gemeinsame Sitten und Institutionen haben.

71:1.2 Die frühen Staaten waren klein, und alle waren das Ergebnis von Eroberungen. Sie entstanden nicht aus freiwilligen Zusammenschlüssen. Viele von ihnen wurden durch nomadisierende Eroberer gegründet, die über friedliche Hirten oder sesshafte Ackerbauer herfielen und sie überwältigten und versklavten. Solche aus Eroberungen hervorgegangene Staaten hatten zwangsläufig eine geschichtete Bevölkerung; unvermeidlich ergaben sich Klassen, und Klassenkämpfe sind immer selektiv gewesen.

71:1.3 Die nördlichen Stämme der amerikanischen roten Menschen brachten es nie bis zu einem wirklichen Staatsgebilde. Sie überschritten nie eine lockere Stammeskonföderation, eine sehr primitive Staatsform. Einem Staat am nächsten kamen die konföderierten Irokesen, aber diese aus sechs Nationen bestehende Gruppe funktionierte nie ganz wie ein Staat und überlebte nicht, weil ihr gewisse für das moderne nationale Leben unerlässliche Dinge fehlten wie z. B.:

71:1.4 1. Erwerb und Vererbung von Privatbesitz.

71:1.5 2. Städte plus Landwirtschaft und Industrie.

71:1.6 3. Nützliche Haustiere.

71:1.7 4. Eine praktische Familienorganisation. Die roten Menschen hielten an der Mutterfamilie und Neffenvererbung fest.

71:1.8 5. Ein abgegrenztes Territorium.

71:1.9 6. Ein starkes regierendes Oberhaupt.

71:1.10 7. Versklavung Gefangener - sie adoptierten sie oder brachten sie um.

71:1.11 8. Entscheidende Eroberungen.

71:1.12 Die roten Menschen waren zu demokratisch; sie hatten eine gute Regierung, aber sie scheiterte. Sie hätten mit der Zeit einen Staat entwickelt, wären sie nicht verfrüht der fortgeschritteneren Zivilisation der weißen Menschen begegnet, die die Regierungsmethoden der Griechen und Römer weiterführten.

71:1.13 Die Grundlagen des erfolgreichen römischen Staates waren:

71:1.14 1. Die Vaterfamilie.

71:1.15 2. Landwirtschaft und Tierdomestizierung.

71:1.16 3. Bevölkerungskonzentration - Städte.

71:1.17 4. Privatbesitz, Landbesitz.

71:1.18 5. Sklaverei - Klassen von Staatsangehörigen.

71:1.19 6. Eroberung und Reorganisation schwacher und rückständiger Völker.

71:1.20 7. Ein abgegrenztes Territorium mit Straßen.

71:1.21 8. Persönliche und starke Herrscher.

71:1.22 Die große Schwäche der römischen Zivilisation und ein Faktor des schließlichen Zusammenbruchs des Imperiums war die angeblich liberale und fortschrittliche Maßnahme der Emanzipierung der Jünglinge mit einundzwanzig und die bedingungslose Entlassung der Mädchen, die nun die Freiheit hatten, einen Mann ihrer Wahl zu heiraten oder im Land herumzuziehen und zu verkommen. Der Schaden erwuchs der Gesellschaft nicht so sehr aus den Reformen selber als vielmehr aus der Plötzlichkeit und umfassenden Weise ihrer Einführung. Der Zusammenbruch Roms zeigt, was erwartet werden kann, wenn sich ein Staat bei gleichzeitiger innerer Degeneration zu rasch ausdehnt.

71:1.23 Der embryonale Staat wurde möglich durch den Rückgang der Blutsbande zugunsten der territorialen Bande, und solche Stammeszusammenschlüsse wurden gewöhnlich durch Eroberungen fest zementiert. Obwohl eine Souveränität, die über alle kleineren Kämpfe und Gruppendifferenzen hinausgeht, das Charakteristikum eines wahren Staates ist, so leben doch in den späteren Staatsorganisationen viele Klassen und Kasten als Überbleibsel der Klane und Stämme früherer Zeiten fort. Die späteren größeren Territorialstaaten hatten einen langen und erbitterten Kampf gegen diese kleineren blutsverwandten Klangruppen zu führen, wobei sich die Stammesregierung als nützlicher Übergang von der Familien- zur Staatsautorität erwies. In späteren Zeiten gingen viele Klane aus Handel und sonstigen industriellen Vereinigungen hervor.

71:1.24 Das Scheitern staatlicher Integration hat einen Rückfall in die Regierungstechniken vorstaatlicher Zustände - wie den Feudalismus des europäischen Mittelalters - zur Folge. In jenem dunklen Zeitalter war der Territorialstaat zusammengebrochen, und es gab eine Rückkehr zu den kleinen, um Schlösser gruppierten Einheiten, ein neuerliches Erscheinen der Entwicklungsstadien von Klanen und Stämmen. Vergleichbare Halbstaaten existieren jetzt in Asien und Afrika, aber nicht alle von ihnen stellen evolutionäre Rückschritte dar; viele sind die embryonalen Kerne künftiger Staaten.

71.2  Die Evolution der repräsentativen Regierung

71:2.1 Die Demokratie, obwohl ein Ideal, ist ein Produkt der Zivilisation, nicht der Evolution. Geht langsam vorwärts! Wählt sorgfältig aus! Denn die Gefahren der Demokratie sind:

71:2.2 1. Glorifizierung der Mittelmäßigkeit.

71:2.3 2. Wahl minderwertiger und ignoranter Regierender.

71:2.4 3. Unvermögen, die grundlegenden Tatsachen der gesellschaftlichen Entwicklung zu erkennen.

71:2.5 4. Gefahr des allgemeinen Stimmrechts in den Händen ungebildeter und indolenter Mehrheiten.

71:2.6 5. Sklavische Haltung gegenüber der öffentlichen Meinung; die Mehrheit hat nicht immer recht.

71:2.7 Die öffentliche Meinung, die allgemeine Meinung, hat die Gesellschaft immer aufgehalten; sie ist aber trotzdem nützlich, denn obwohl sie die soziale Entwicklung verlangsamt, bewahrt sie die Zivilisation. Erziehung der öffentlichen Meinung ist die einzig sichere und wahre Methode, um die Zivilisation zu beschleunigen; Gewalt ist nur ein zeitweiliger Notbehelf, und das kulturelle Wachstum wird sich in dem Maße, wie Gewehrkugeln durch Stimmzettel abgelöst werden, immer mehr beschleunigen. Die öffentliche Meinung, die Sitten, sind die grundlegende und wesentliche Energie der gesellschaftlichen Evolution und staatlichen Entwicklung, aber um staatstragenden Wert zu haben, muss ihr Ausdruck gewaltlos sein.

71:2.8 Das Maß des gesellschaftlichen Fortschritts wird direkt bestimmt durch den Grad, in dem die öffentliche Meinung persönliches Verhalten und staatliches Funktionieren ohne Gewaltanwendung kontrollieren kann. Die wirklich zivilisierte Regierung war gekommen, als die öffentliche Meinung mit den Machtbefugnissen des persönlichen Wahlrechts ausgestattet wurde. Volkswahlen entscheiden vielleicht nicht immer im richtigen Sinn, aber sie stellen den richtigen Weg dar, sogar etwas Falsches zu tun. Die Evolution bringt nicht plötzlich höchste Vollkommenheit hervor, sondern eher eine vergleichsweise fortschrittliche praktische Anpassung.

71:2.9 Es gibt bei der Evolution einer praktischen und wirksamen repräsentativen Regierungsform zehn Schritte oder Stadien, nämlich:

71:2.10 1. Freiheit der Person. Sklaverei, Leibeigenschaft und alle Formen von menschlicher Hörigkeit müssen verschwinden.

71:2.11 2. Gedankenfreiheit. Solange ein freies Volk nicht gebildet ist - nicht gelehrt worden ist, intelligent zu denken und weise zu planen - richtet Freiheit im Allgemeinen mehr Unheil als Gutes an.

71:2.12 3. Die Herrschaft des Gesetzes. Ein Volk kann sich der Freiheit nur erfreuen, wenn Wille und Launen menschlicher Herrscher durch gesetzgeberische Erlasse ersetzt worden sind, die mit dem akzeptierten Grundgesetz im Einklang stehen.

71:2.13 4. Redefreiheit. Eine repräsentative Regierung ist undenkbar, solange sich nicht alle Arten menschlicher Bestrebungen und Meinungen in Freiheit ausdrücken können.

71:2.14 5. Sicherheit des Besitzes. Keine Regierung kann sich lange halten, wenn sie nicht für das Recht des Bürgers sorgt, sich irgendeiner Form persönlichen Besitzes zu erfreuen. Der Mensch wünscht sich sehnlichst das Recht, seinen persönlichen Besitz zu gebrauchen, zu verwalten, zu verschenken, zu verkaufen, zu vermieten und zu vererben.

71:2.15 6. Das Petitionsrecht. Eine repräsentative Regierung garantiert das Recht des Bürgers, angehört zu werden. Das Petitionsprivileg gehört untrennbar zur freien Staatsbürgerschaft.

71:2.16 7. Das Recht zu regieren. Es genügt nicht, angehört zu werden; das Petitionsrecht muss sich weiterentwickeln bis zur eigentlichen Regierungsführung.

71:2.17 8. Allgemeines Stimmrecht. Die repräsentative Regierung setzt eine intelligente, effiziente und allgemeine Wählerschaft voraus. Der Charakter einer solchen Regierung wird immer durch Charakter und Format ihrer Mitglieder geprägt sein. Mit dem Fortschritt der Zivilisation wird das Stimmrecht zwar für beide Geschlechter allgemein bleiben, aber wirkungsvoll abgeändert, umgruppiert und auf andere Weise differenziert werden.

71:2.18 9. Kontrolle der Staatsbeamten. Keine Zivilregierung wird leistungsfähig und wirksam sein, wenn die Bürger nicht weise Techniken zur Führung und Kontrolle der staatlichen Amtsinhaber und Angestellten besitzen und anwenden.

71:2.19 10. Intelligente und geschulte Volksvertreter. Das Fortleben der Demokratie hängt von einer erfolgreichen repräsentativen Regierung ab; und die Bedingung dazu ist die Praxis, nur solche Persönlichkeiten in öffentliche Ämter zu wählen, die technisch geschult, intellektuell qualifiziert, der Gesellschaft gegenüber loyal und sittlich würdig sind. Nur unter solchen Voraussetzungen kann sich die Regierung eines Volkes - die durch das Volk und für das Volk regiert - halten.

71.3  Die Ideale des Staates

71:3.1 Die politische oder administrative Form einer Regierung ist von geringer Bedeutung, vorausgesetzt sie bietet das Wesentliche für zivilen Fortschritt: Freiheit, Sicherheit, Bildung und gesellschaftliche Koordination. Nicht was ein Staat ist, sondern was er tut, bestimmt den Lauf der gesellschaftlichen Evolution. Und letztenendes kann kein Staat über die sittlichen Werte seiner Bürger hinausgehen, wie sie in deren gewählten Führern zum Ausdruck kommen. Unwissenheit und Selbstsucht werden mit Sicherheit den Sturz auch einer Regierung des höchsten Typs herbeiführen.

71:3.2 So sehr dies auch zu bedauern ist, so war doch nationale Selbstüberhebung für das Überleben der Gesellschaft wesentlich. Die Doktrin vom auserwählten Volk war bis in die neueste Zeit ein Hauptfaktor für das Zusammenschweißen der Stämme und die Errichtung von Nationen. Aber kein Staat kann Stufen idealen Funktionierens erreichen, bevor nicht jede Form von Intoleranz überwunden ist; diese ist menschlichem Fortschritt ewig Feind. Und Intoleranz wird am besten durch eine Koordination von Wissenschaft, Handel, Spiel und Religion bekämpft.

71:3.3 Der ideale Staat funktioniert unter dem Antrieb von drei mächtigen und koordinierten Kräften:

71:3.4 1. Liebe und Treue, die aus der Bewusstwerdung der menschlichen Bruderschaft fließen.

71:3.5 2. Intelligenter Patriotismus, der auf weisen Idealen beruht.

71:3.6 3. Kosmische Erkenntnis in ihrer Anwendung auf planetarische Fakten, Bedürfnisse und Ziele.

71:3.7 Der Gesetze des Idealstaates sind nicht viele, und sie sind aus dem verneinenden Tabuzeitalter übergegangen in eine Ära des bejahenden Fortschritts individueller Freiheit, die aus größerer Selbstbeherrschung erwächst. Der hoch stehende Staat zwingt seine Bürger nicht nur zur Arbeit, sondern verlockt sie auch zu nützlichem und stimulierendem Gebrauch ihrer zunehmenden Freizeit dank dem fortschreitenden Maschinenzeitalter, das sie von drückender Arbeit befreit. Muße muss sowohl produzieren als auch konsumieren.

71:3.8 Keine Gesellschaft hat es je sehr weit gebracht, wenn sie Müßiggang zugelassen oder Armut geduldet hat. Aber Armut und Abhängigkeit können nie zum Verschwinden gebracht werden, solange die geschädigten und degenerierten Bevölkerungsteile großzügig unterhalten werden und man ihnen erlaubt, sich ungehemmt fortzupflanzen.

71:3.9 Das Ziel einer sittlichen Gesellschaft sollte sein, die Selbstachtung ihrer Bürger zu bewahren und jedem normalen Einzelnen eine passende Gelegenheit zur Selbstverwirklichung zu verschaffen. Solch ein Plan sozialer Erfüllung würde eine kulturelle Gesellschaft höchster Art hervorbringen. Die soziale Entwicklung sollte von der Regierung ermutigt und unter Ausübung eines Minimums an regelnder Lenkung überwacht werden. Der beste Staat ist derjenige, der am meisten koordiniert und am wenigsten regiert.

71:3.10 Die Staatsideale müssen durch Evolution erreicht werden, durch das langsame Wachstum staatsbürgerlichen Bewusstseins, durch die Anerkennung der Pflicht und des Vorrechts sozialen Dienens. Nach dem Ende der Verwaltung durch politische Plünderer nehmen die Menschen die Regierungslast zuerst als eine Pflicht auf sich, aber später streben sie nach solch einem Amt als einem Privileg, als höchster Ehre. Der Status irgendeiner Zivilisationsstufe spiegelt sich getreulich im Format der Bürger wider, die freiwillig die Verantwortung im Staat übernehmen.

71:3.11 In einem richtigen Gemeinwesen wird das Regieren von Städten und Provinzen durch Sachverständige besorgt und genauso wie alle anderen Formen wirtschaftlicher oder geschäftlicher menschlicher Zusammenschlüsse gehandhabt.

71:3.12 In fortgeschrittenen Staaten gilt der politische Dienst als höchste Form der Hingabe des Bürgers. Der größte Ehrgeiz der weisesten und edelsten Bürger ist darauf gerichtet, zivile Anerkennung zu gewinnen, um durch Wahl oder Ernennung irgendeinen Vertrauensposten in der Regierung zu erhalten, und solche Regierungen zeichnen ihre zivilen und sozialen Diener in Anerkennung geleisteter Dienste mit den höchsten Ehren aus. Erst nach ihnen werden mit Ehrungen in dieser Reihenfolge bedacht: die Philosophen, Erzieher, Wissenschaftler, Industriellen und die Militärpersonen. Die Eltern werden gebührend belohnt durch die Vortrefflichkeit ihrer Kinder, und die rein religiösen Führer, Botschafter eines geistigen Reichs, erhalten ihre wahre Belohnung in einer anderen Welt.

71.4  Die fortschreitende Zivilisation

71:4.1 Wirtschaft, Gesellschaft und Regierung müssen sich weiterentwickeln, wenn sie Bestand haben wollen. Auf einer evolutionären Welt sind statische Zustände ein Zeichen des Niedergangs; nur jene Institutionen sind von Dauer, die sich mit dem evolutionären Strom vorwärts bewegen.

71:4.2 Das Fortschrittsprogramm einer in Expansion begriffenen Zivilisation umfasst:

71:4.3 1. Bewahrung der individuellen Freiheiten.

71:4.4 2. Schutz des Heims.

71:4.5 3. Verstärkung der wirtschaftlichen Sicherheit.

71:4.6 4. Krankheitsverhütung.

71:4.7 5. Obligatorische Erziehung.

71:4.8 6. Obligatorische Beschäftigung.

71:4.9 7. Nützliche Verwendung der Freizeit.

71:4.10 8. Betreuung der Unglücklichen.

71:4.11 9. Verbesserung der Rasse.

71:4.12 10. Förderung von Wissenschaft und Kunst.

71:4.13 11. Förderung der Philosophie - der Weisheit.

71:4.14 12. Zunahme kosmischer Erkenntnis - der Geistigkeit.

71:4.15 Und solch ein Fortschritt in den Leistungen der Zivilisation führt direkt zur Erfüllung der höchsten menschlichen und göttlichen Ziele irdischen Strebens - zur gesellschaftlichen Verwirklichung der Brüderlichkeit unter den Menschen und zum persönlichen Status der Gottesbewusstheit, die sich im höchsten Verlangen jedes Einzelnen äußert, den Willen des Vaters im Himmel zu tun.

71:4.16 Das Erscheinen echter Brüderlichkeit bedeutet, dass eine gesellschaftliche Ordnung eingetreten ist, in der alle Menschen freudig einer des anderen Bürde tragen und wirklich wünschen, nach der goldenen Regel zu leben. Aber solch eine ideale Gesellschaft kann nicht verwirklicht werden, solange die Schwachen und Bösartigen nur darauf warten, auf unfaire und ruchlose Art jene zu übervorteilen, die hauptsächlich durch hingebungsvollen Dienst an Wahrheit, Schönheit und Güte bewegt werden. In einer solchen Situation kann es nur eine Art praktischen Vorgehens geben: Die "Anhänger der goldenen Regel" sind frei, eine fortschrittliche Gesellschaft zu gründen, in der sie ihren Idealen gemäß leben, wobei sie aber eine passende Verteidigung gegen ihre geistig verfinsterten Mitmenschen aufrechterhalten müssen, die etwa ihre Vorliebe für den Frieden ausnutzen oder ihre fortschreitende Zivilisation zerstören möchten.

71:4.17 Idealismus kann auf einem sich entwickelnden Planeten niemals überleben, wenn die Idealisten jeder Generation es zulassen, durch die tieferstehenden Elemente der Menschheit ausgerottet zu werden. Und hierin besteht der große Test des Idealismus: Kann eine fortgeschrittene Gesellschaft jenen militärischen Bereitschaftsgrad aufrechterhalten, der sie vor jedem Angriff durch ihre kriegsliebenden Nachbarn sicher macht, ohne der Versuchung zu erliegen, diese militärische Stärke zu eigennützigem Gewinn oder nationaler Verherrlichung für offensive Operationen gegen andere Völker einzusetzen? Nationales Überleben verlangt Bereitschaft, und allein religiöser Idealismus kann verhindern, dass Bereitschaft zu Angriff missbraucht wird. Nur Liebe, Brüderlichkeit kann den Starken davon abhalten, den Schwachen zu unterdrücken.

71.5  Die Entwicklung des Wettbewerbs

71:5.1 Wettbewerb ist für sozialen Fortschritt wesentlich, aber wenn er nicht geregelt wird, gebiert er Gewalttätigkeit. In der gegenwärtigen Gesellschaft ersetzt der Wettbewerb allmählich den Krieg, indem er den Platz des Einzelnen in der Industrie bestimmt und über das Fortleben der Industrien selber entscheidet. (Mord und Krieg nehmen in den Sitten eine unterschiedliche Stellung ein, indem Mord seit den frühesten Tagen der Gesellschaft als ungesetzlich galt, während Krieg durch die Menschheit als Ganzes noch nie geächtet worden ist).

71:5.2 Der ideale Staat unternimmt es, das gesellschaftliche Verhalten nur gerade so weit zu steuern, dass die Gewalt aus dem individuellen Wettbewerb verschwindet und auf persönlicher Initiative beruhende Ungerechtigkeiten verhindert werden. Und hier stellt sich der Staatsführung ein großes Problem: Wie kann man der Industrie Frieden und Ruhe garantieren, Steuern zum Unterhalt der Staatsmacht erheben und gleichzeitig vermeiden, dass ebendiese Besteuerung die Industrie behindert, und den Staat davor bewahren, parasitisch oder tyrannisch zu werden?

71:5.3 Auf jeder Welt ist während der früheren Zeitalter der Wettbewerb für den Fortschritt der Zivilisation unerlässlich. Mit fortschreitender Evolution der Menschen wird Zusammenarbeit immer wirksamer. In fortgeschrittenen Zivilisationen ist Zusammenarbeit leistungsstärker als Wettbewerb. Die frühen Menschen werden durch den Wettbewerb stimuliert. Die frühe Evolution charakterisiert sich durch das Überleben der biologisch am besten Ausgerüsteten, aber spätere Zivilisationen werden eher durch intelligente Zusammenarbeit, verstehende Brüderlichkeit und geistige Bruderschaft gefördert.

71:5.4 Der industrielle Wettbewerb ist zugegebenermaßen äußerst verschwenderisch und höchst ineffizient, aber keine Versuche, diesen wirtschaftlich verlustreichen Antrieb zu beseitigen, sollten ermutigt werden, wenn derartige Anpassungen auch nur die geringste Schmälerung irgendeiner der individuellen Grundfreiheiten nötig machen sollten.

71.6  Das Gewinnmotiv

71:6.1 Die heutige, vom Gewinn diktierte Wirtschaft ist dem Untergang geweiht, es sei denn, zu den Beweggründen des Profits gesellten sich solche des Dienstes. Unbarmherziger Wettbewerb, der auf engstirnigem Eigennutz beruht, zerstört letztenendes sogar all das, was er zu erhalten sucht. Ausschließliche und eigennützige Gewinnmotivation ist mit christlichen Idealen nicht zu vereinbaren - und noch viel weniger mit den Lehren Jesu.

71:6.2 In der Wirtschaft verhält sich Gewinnmotivierung zu Dienstmotivierung wie Furcht zu Liebe in der Religion. Aber das Gewinnmotiv darf nicht plötzlich zerstört oder beiseite geschoben werden; es sorgt dafür, dass viele ansonsten träge Sterbliche hart arbeiten. Es ist indessen nicht nötig, dass dieser gesellschaftliche Energieankurbler in seinen Zielsetzungen für immer selbstsüchtig bleibe.

71:6.3 Das Gewinnmotiv bei wirtschaftlichen Aktivitäten ist im Ganzen gesehen niedrig und einer fortgeschrittenen Gesellschaftsordnung völlig unwürdig; trotzdem ist es während der früheren Zivilisationsphasen ein unentbehrlicher Faktor. Man darf den Menschen das Motiv des Gewinns nicht wegnehmen, bevor nicht Motive wirtschaftlichen Strebens und sozialen Dienstes einer höheren Art, die keinen Gewinn abwerfen, ihr fester Besitz geworden sind - das transzendente Verlangen nach höchster Weisheit, faszinierender Brüderlichkeit und hohem geistigen Vollbringen.

71.7  Erziehung

71:7.1 Ein dauerhafter Staat gründet auf Kultur, er wird durch Ideale beherrscht, und sein Beweggrund ist Dienen. Das Ziel der Erziehung sollte sein: Erwerb von Fertigkeiten, Suche nach Weisheit, Verwirklichung seiner selbst und Erreichen geistiger Werte.

71:7.2 Im Idealstaat währt die Erziehung lebenslang, und die Philosophie wird manchmal zur Hauptbeschäftigung seiner Bürger. Die Bürger eines solchen Staatswesens bemühen sich um Weisheit durch Vertiefung ihrer Erkenntnis des Sinns menschlicher Beziehungen, der Bedeutungen der Realität, der Erhabenheit der Werte, der Ziele des Lebens und der Herrlichkeiten kosmischer Bestimmung.

71:7.3 Die Bewohner Urantias sollten eine Vision von einer neuen und höheren kulturellen Gesellschaft empfangen. Die Erziehung wird einen Sprung auf neue Wertebenen machen, wenn das rein durch Profit motivierte Wirtschaftssystem vergeht. Die Erziehung war zu lange lokal gefärbt, militaristisch, ichbetont und erfolgsorientiert; sie muss letztendlich weltumspannend, idealistisch werden, Selbstverwirklichung anstreben und in den Kosmos ausgreifen.

71:7.4 Die Erziehung ist kürzlich aus den Händen des Klerus in jene von Juristen und Geschäftsleuten übergegangen. Sie muss schließlich den Philosophen und den Wissenschaftlern übergeben werden. Lehrer müssen freie Wesen, wirkliche Führer sein, damit die Philosophie, die Suche nach Weisheit, zum Hauptanliegen der Erziehung werden kann.

71:7.5 Die Erziehung ist die Aufgabe des Lebens überhaupt; sie muss während des ganzen Lebens weitergehen, damit die Menschheit allmählich die Erfahrung der aufsteigenden Stufen irdischer Weisheit machen kann, nämlich:

71:7.6 1. Das Wissen über Dinge.

71:7.7 2. Das Bewusstwerden von Bedeutungen.

71:7.8 3. Das Schätzen von Werten.

71:7.9 4. Die Vornehmheit der Arbeit - Pflicht.

71:7.10 5. Die Motivierung durch Ziele - Sittlichkeit.

71:7.11 6. Die Liebe zum Dienst - Charakter.

71:7.12 7. Kosmische Schau - geistiges Wahrnehmungsvermögen.

71:7.13 Und dann werden viele dank dieser Leistungen bis zum Äußersten, was das Gemüt eines Sterblichen erreichen kann, bis zum Gottesbewusstsein aufsteigen.

71.8  Das Wesen der Staatlichkeit

71:8.1 Der einzige heilige Wesenszug jeglicher menschlichen Regierung ist die Unterteilung der Staatlichkeit in die drei Bereiche exekutiver, legislativer und richterlicher Funktion. Das Universum wird gemäß einem solchen Plan der Trennung von Funktionen und Autorität verwaltet. Abgesehen von diesem göttlichen Konzept wirksamer gesellschaftlicher Regulierung oder ziviler Regierung ist es von geringer Bedeutung, für welche Form von Staat sich ein Volk entscheidet, solange die Bürgerschaft immer dem Ziel größerer Selbstbeherrschung und vermehrten sozialen Dienstes zustrebt. Intellektueller Scharfsinn, wirtschaftliche Weisheit, gesellschaftliches Geschick und sittliches Stehvermögen eines Volkes spiegeln sich alle getreulich in seinem Staatswesen wider.

71:8.2 Die Entwicklung der Staatlichkeit erfordert stufenweise Fortschritte, nämlich folgende:

71:8.3 1. Die Schaffung einer dreigeteilten Regierung mit Exekutiv-, Legislativ- und Justizzweig.

71:8.4 2. Die Freiheit für gesellschaftliche, politische und religiöse Aktivitäten.

71:8.5 3. Die Abschaffung aller Formen von Sklaverei und menschlicher Hörigkeit.

71:8.6 4. Die Befugnis der Bürger, die Besteuerung zu kontrollieren.

71:8.7 5. Die Einführung universeller Erziehung - ein sich von der Wiege bis zum Grabe erstreckender Lernprozess.

71:8.8 6. Die richtige Abstimmung zwischen lokaler und nationaler Regierung.

71:8.9 7. Die Förderung der Wissenschaft und der Sieg über die Krankheiten.

71:8.10 8. Die gebührende Anerkennung der Geschlechtergleichheit und das koordinierte Wirken von Männern und Frauen in Heim, Schule und Kirche, mit einem besonderen Dienst der Frauen in Industrie und Regierung.

71:8.11 9. Die Eliminierung versklavender Arbeit durch die Erfindung von Maschinen und die daraus resultierende Beherrschung des Maschinenzeitalters.

71:8.12 10. Der Sieg über die Dialekte - der Triumph einer universellen Sprache.

71:8.13 11. Das Aufhören von Krieg - internationale Beilegung nationaler und rassischer Differenzen durch kontinentale Gerichte der Nationen, die von einem höchsten planetarischen Tribunal präsidiert werden. Dieses rekrutiert sich automatisch aus den periodisch abtretenden Vorstehern der kontinentalen Gerichte. Die kontinentalen Gerichte sind mit Vollmacht ausgestattet; der Weltgerichtshof hat beratende - moralische - Funktion.

71:8.14 12. Eine die ganze Welt erfassende Bewegung der Suche nach Weisheit - die hohe Verehrung der Philosophie. Die Evolution einer Weltreligion, Vorbote des Eintritts des Planeten in die früheren Phasen der Verankerung im Licht und Leben.

71:8.15 Das sind die Voraussetzungen für eine progressive Regierung und die Merkmale idealer Staatlichkeit. Urantia ist von der Verwirklichung dieser hohen Ideale weit entfernt, aber die zivilisierten Rassen haben einen Anfang gemacht - die Menschheit ist unterwegs zu höheren evolutionären Bestimmungen.

71:8.16 [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.]