(1825.1) 166:0.1 VOM 11. bis zum 20. Februar besuchten Jesus und die Zwölf sämtliche Städte und Dörfer des nördlichen Peräa, wo die Mitarbeiter Abners und das Frauenkorps tätig waren. Sie stellten fest, dass die Botschafter des Evangeliums erfolgreich waren, und Jesus lenkte wiederholt die Aufmerksamkeit seiner Apostel auf die Tatsache, dass das Evangelium vom Königreich sich auch ohne Begleitung von Wundern und Mirakeln ausbreiten konnte.
(1825.2) 166:0.2 Diese ganze dreimonatige Mission in Peräa wurde erfolgreich ohne große Mithilfe der zwölf Apostel fortgeführt, und das Evangelium gab von dieser Zeit an nicht so sehr Jesu Persönlichkeit als seine Lehren wieder. Aber seine Nachfolger hielten sich nicht lange an seine Anweisungen, denn bald nach Jesu Tod und Auferstehung entfernten sie sich von seinen Lehren und begannen, die frühe Kirche um die übernatürlichen Vorstellungen von ihm, um die verherrlichten Erinnerungen an seine göttlich-menschliche Persönlichkeit herum, aufzubauen.
(1825.3) 166:1.1 Am Sabbat, dem 18. Februar, war Jesus in Ragaba, wo ein reicher Pharisäer namens Nathanael lebte; und da eine stattliche Anzahl seiner Mitpharisäer Jesus und den Zwölfen durch das Land folgte, gab er an diesem Sabbatmorgen für sie alle, etwa zwanzig an der Zahl, ein Frühstück und lud Jesus als Ehrengast ein.
(1825.4) 166:1.2 Als sich Jesus zum Frühstück einfand, waren die meisten der Pharisäer nebst zwei oder drei Gesetzeskundigen bereits da und saßen am Tisch. Der Meister nahm sogleich zur Linken Nathanaels Platz, ohne vorher zum Wasserbecken zu gehen und sich die Hände zu waschen. Manche der Pharisäer, insbesondere die Jesu Lehren freundlich gesinnten, wussten, dass er seine Hände nur aus Reinlichkeitsgründen wusch und dass er diese rein zeremoniellen Handlungen verabscheute; und so waren sie nicht überrascht, dass er direkt zu Tisch kam, ohne zuvor seine Hände zweimal gewaschen zu haben. Aber Nathanael war schockiert, dass Jesus es unterließ, die strikten Vorschriften pharisäischer Praxis zu befolgen. Ebenso wenig wusch Jesus seine Hände wie die Pharisäer nach jedem Gang und am Ende der Mahlzeit.
(1825.5) 166:1.3 Nachdem Nathanael lange mit einem unfreundlich gesinnten Pharisäer zu seiner Rechten geflüstert hatte und die dem Meister Gegenübersitzenden ausgiebig die Augenbrauen hochgezogen und ihren Mund zu höhnischem Lächeln verzogen hatten, sagte Jesus endlich: „Ich hatte gedacht, ihr habt mich in dieses Haus eingeladen, um mit euch Brot zu brechen und um euch vielleicht bei mir über die Verkündigung des neuen Evangeliums vom Königreich Gottes zu erkundigen; aber ich stelle fest, dass ihr mich hierher geladen habt, damit ich Zeuge des Schauspiels eurer zeremoniellen Verneigung vor eurer eigenen Selbstgerechtigkeit werde. Diesen Dienst habt ihr mir nun getan; womit wollt ihr mich, euren Gast, bei dieser Gelegenheit als Nächstes beehren?“
(1826.1) 166:1.4 Nachdem der Meister also gesprochen hatte, schlugen sie die Augen nieder, schauten auf den Tisch und blieben still. Und da niemand sprach, fuhr Jesus fort: „Manche von euch Pharisäern sind hier mit mir als Freunde, einige sind sogar meine Jünger, aber die Mehrheit der Pharisäer lehnt es beharrlich ab, das Licht zu sehen und die Wahrheit anzuerkennen, sogar wenn das Werk des Evangeliums mit großer Macht vor sie gebracht wird. Wie sorgfältig reinigt ihr das Äußere der Schalen und Platten, während die Gefäße für die geistige Nahrung verdreckt und verschmutzt sind! Ihr achtet darauf, dem Volk in Frömmigkeit und Heiligkeit zu erscheinen, aber das Innere eurer Seele ist angefüllt mit Selbstgerechtigkeit, Begehrlichkeit, Erpressung und aller Art von geistiger Verworfenheit. Eure Führer wagen es sogar, sich gegen den Menschensohn zu verschwören und seine Ermordung zu planen. Versteht ihr törichten Männer nicht, dass der Gott des Himmels ebenso sehr die inneren Beweggründe der Seele betrachtet wie eure äußerlichen Vortäuschungen und frommen Erklärungen? Denkt nicht, dass das Spenden von Almosen und das Entrichten des Zehnten euch von Ungerechtigkeit reinigen und befähigen wird, einwandfrei vor den Richter aller Menschen zu treten. Wehe euch Pharisäern, die ihr beharrlich das Licht des Lebens abgelehnt habt! Ihr bezahlt den Zehnten peinlich genau und verteilt demonstrativ Almosen, aber ihr weist das Kommen Gottes wissentlich mit Verachtung zurück und verschmäht die Offenbarung seiner Liebe. Obwohl ihr recht damit habt, die kleineren Pflichten zu beachten, hättet ihr diese weit wichtigeren Erfordernisse nie unerfüllt lassen dürfen. Wehe all denen, die der Gerechtigkeit ausweichen, Barmherzigkeit verachten und die Wahrheit zurückweisen! Wehe allen, die die Offenbarung des Vaters verachten, während sie in der Synagoge die Ehrenplätze begehren und sich danach sehnen, auf dem Marktplatz in schmeichelhafter Weise gegrüßt zu werden!“
(1826.2) 166:1.5 Als Jesus sich zum Gehen anschickte, wandte sich einer der Gesetzeskundigen, der am Tisch saß, an ihn und sprach: „Aber, Meister, in einigen deiner Erklärungen tadelst du auch uns Gesetzeskundige. Ist denn nichts Gutes an Schriftgelehrten, Pharisäern oder Gesetzeskundigen?“ Und Jesus antwortete dem Gesetzeskundigen im Stehen: „Wie die Pharisäer nehmt auch ihr mit Wonne bei Festen die ersten Plätze ein und tragt lange Roben, während ihr den Schultern der Menschen schwere Lasten aufbürdet, die qualvoll zu tragen sind. Und wenn die Seelen der Menschen unter diesen schweren Bürden wanken, rührt ihr auch nicht einen Finger. Wehe euch, deren größte Genugtuung es ist, den von euren Vätern getöteten Propheten Grabmäler zu errichten! Und dass ihr das, was eure Väter getan haben, billigt, wird offenkundig, wenn ihr jetzt die Ermordung jener plant, die heute kommen und das tun, was die Propheten damals taten — die Gerechtigkeit Gottes verkünden und die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters offenbaren. Aber das Blut der Propheten und Apostel aller Generationen der Vergangenheit wird von dieser abartigen und selbstgerechten Generation gefordert werden. Wehe all euch Gesetzeskundigen, die ihr dem einfachen Volk den Schlüssel zum Wissen weggenommen habt! Ihr selber weigert euch, den Weg der Wahrheit zu betreten, und zugleich wollt ihr auch alle anderen, die ihn gehen möchten, daran hindern. Aber ihr könnt die Türen zum Königreich des Himmels auf diese Weise nicht verschließen; wir haben sie für alle geöffnet, die den Glauben haben einzutreten, und diese Tore der Barmherzigkeit werden nicht geschlossen werden durch die Vorurteile und die Arroganz falscher Lehrer und treuloser Hirten, die weißgetünchten Grabmälern gleichen, welche äußerlich schön erscheinen, aber innen mit Totengebein und allem möglichen geistigen Unrat angefüllt sind.“
(1826.3) 166:1.6 Und als Jesus an Nathanaels Tisch fertig gesprochen hatte, verließ er das Haus, ohne am Mahl teilgenommen zu haben. Und von den Pharisäern, die diese Worte hörten, begannen einige, an seine Lehre zu glauben und traten ins Königreich ein, aber die Mehrzahl blieb auf dem Weg der Finsternis und wurde nur umso entschlossener, ihm aufzulauern und irgendeines seiner Worte aufzuschnappen, das geeignet war, ihn zum Prozess und zur Aburteilung vor den Sanhedrin nach Jerusalem zu bringen.
(1827.1) 166:1.7 Es gab im Ganzen drei Dinge, denen die Pharisäer ganz besondere Aufmerksamkeit schenkten:
(1827.2) 166:1.8 1. Die Praxis der genauen Entrichtung des Zehnten.
(1827.3) 166:1.9 2. Peinlich genaue Beachtung der Gesetze der Reinigung.
(1827.4) 166:1.10 3. Vermeidung des Kontaktes mit allen Nichtpharisäern.
(1827.5) 166:1.11 Diesmal ging es Jesus darum, die geistige Unfruchtbarkeit der zwei ersten Praktiken bloßzustellen, während er Bemerkungen, die dazu bestimmt waren, die Weigerung der Pharisäer zu tadeln, mit Nichtpharisäern in gesellschaftlichen Kontakt zu treten, auf eine andere, spätere Gelegenheit verschob, wenn er wiederum mit vielen dieser Männer bei Tische sitzen würde.
(1827.6) 166:2.1 Am nächsten Tag ging Jesus mit den Zwölf nach Amathus, nahe der Grenze zu Samaria, hin-über, und als sie sich der Stadt näherten, trafen sie auf eine Gruppe von zehn Aussätzigen, die sich in der Nähe des Ortes aufhielten. Neun von ihnen waren Juden und einer ein Samaritaner. Üblicherweise hätten diese Juden jede Verbindung und jeden Kontakt mit dem Samaritaner vermieden, aber ihr gemeinsames Leiden war mehr als ausreichend, um alle religiösen Vorurteile zu überwinden. Sie hatten viel von Jesus und seinen früheren Wunderheilungen gehört, und da die Siebzig jeweils den Zeitpunkt, an dem man mit Jesu Ankunft rechnete, anzukündigen pflegten, wenn der Meister mit den Zwölfen auf diesen Rundreisen war, hatte man die zehn Aussätzigen darauf aufmerksam gemacht, dass er in der Gegend ungefähr um diese Zeit erwartet wurde. Und so hatten sie sich hier am Stadtrand aufgestellt, wo sie hofften, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und Heilung zu erbitten. Als die Aussätzigen Jesus näher kommen sahen, es aber nicht wagten, auf ihn zuzugehen, riefen sie ihm von weitem zu: „Meister, hab Erbarmen mit uns; reinige uns von unserem Gebrechen. Heile uns, wie du andere geheilt hast.“
(1827.7) 166:2.2 Jesus hatte den Zwölfen eben erklärt, wieso die Nichtjuden von Peräa und die weniger orthodoxen Juden eher als die orthodoxeren und traditionsgebundeneren Juden von Judäa gewillt waren, an das von den Siebzig gepredigte Evangelium zu glauben. Er hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Botschaft desgleichen von den Galiläern und sogar von den Samaritanern bereitwilliger aufgenommen worden war. Aber die zwölf Apostel waren noch kaum bereit, gegenüber den lange verachteten Samaritanern freundliche Gefühle zu hegen.
(1827.8) 166:2.3 Als deshalb Simon Zelotes den Samaritaner unter den Aussätzigen bemerkte, versuchte er den Meister zu bewegen, geradewegs in die Stadt zu gehen, ohne auch nur anzuhalten, um mit ihnen Grüße zu wechseln. Da sagte Jesus zu Simon: „Aber wie, wenn der Samaritaner Gott ebenso liebt wie die Juden? Sollen wir über unsere Mitmenschen zu Gericht sitzen? Wer weiß, ob sich, wenn wir diese zehn Männer heilen, der Samaritaner nicht noch dankbarer erweisen wird als die Juden? Bist du deiner Meinung wirklich so sicher, Simon?“ Und Simon antwortete rasch: „Wenn du sie reinigst, wirst du es bald herausfinden.“ Und Jesus erwiderte: „So sei es, Simon, und bald wirst du die Wahrheit über die Dankbarkeit der Menschen und die liebende Barmherzigkeit Gottes erfahren.“
(1827.9) 166:2.4 Jesus ging nahe an die Aussätzigen heran und sagte: „Wenn ihr geheilt werden wollt, dann geht unverzüglich und zeigt euch den Priestern, wie das Gesetz Moses es verlangt.“ Und im Weggehen wurden sie geheilt. Aber als der Samaritaner sah, dass er geheilt wurde, kehrte er um, und auf der Suche nach Jesus begann er, Gott mit lauter Stimme zu preisen. Und als er den Meister gefunden hatte, fiel er zu seinen Füßen auf die Knie nieder und dankte für seine Reinigung. Die neun übrigen, die Juden, hatten ihre Heilung ebenfalls entdeckt und waren ebenfalls dankbar für ihre Reinigung, aber sie setzten ihren Weg fort, um sich den Priestern zu zeigen.
(1828.1) 166:2.5 Während der Samaritaner immer noch zu Jesu Füßen kniete, blickte der Meister auf die Zwölf, und insbesondere auf Simon Zelotes, und sagte: „Haben wir nicht zehn gereinigt? Wo sind denn die anderen neun, die Juden? Nur einer, dieser Fremde, ist zurückgekehrt, um Gott zu lobpreisen.“ Und dann sagte er zum Samaritaner: „Steh auf und geh deiner Wege; dein Glaube hat dich gesund gemacht.“
(1828.2) 166:2.6 Und wieder schaute Jesus seine Apostel an, während der Fremdling sich entfernte. Und alle Apostel schauten Jesus an mit Ausnahme Simons Zelotes, der mit niedergeschlagenen Augen dastand. Die Zwölf sprachen kein Wort. Auch Jesus sagte nichts; es war unnötig, dass er etwas sagte.
(1828.3) 166:2.7 Obwohl alle zehn Männer tatsächlich glaubten, an Lepra erkrankt zu sein, waren nur vier von ihnen aussätzig. Die anderen sechs wurden von einer Hautkrankheit geheilt, die irrtümlich für Lepra gehalten worden war. Aber der Samaritaner hatte wirklich die Lepra.
(1828.4) 166:2.8 Jesus schärfte den Zwölfen ein, nichts von der Reinigung der Aussätzigen verlauten zu lassen, und als sie nach Amathus hineingingen, bemerkte er: „Ihr seht, wie die Kinder des Hauses, auch wenn sie sich dem Willen des Vaters nicht unterwerfen, ihre Segnungen als selbstverständlich hinnehmen. Sie denken, es sei von geringer Bedeutung, wenn sie es versäumen, dem Vater für das Geschenk ihrer Heilung zu danken, aber die Fremden, die vom Herrn des Hauses Geschenke erhalten, sind von Staunen erfüllt und sehen sich genötigt, zu danken in Anerkennung der guten Dinge, die ihnen zuteil geworden sind.“ Und auch auf diese Worte des Meisters erwiderten die Apostel nichts.
(1828.5) 166:3.1 Als Jesus und die Zwölf die Botschafter des Königreichs in Gerasa besuchten, stellte einer der Pharisäer, der an ihn glaubte, diese Frage: „Herr, werden wenige oder viele wirklich gerettet werden?“ Und Jesus gab zur Antwort:
(1828.6) 166:3.2 „Man hat euch gelehrt, dass nur die Kinder Abrahams gerettet werden; dass nur die aufgenommenen Nichtjuden auf Rettung hoffen können. Da die Schriften überliefern, dass von all den Scharen, die aus Ägypten auszogen, nur Kaleb und Josua es erlebten, das verheißene Land zu betreten, haben einige von euch daraus gefolgert, dass nur relativ wenige von denen, die das Königreich suchen, dort Eingang finden werden.
(1828.7) 166:3.3 Ihr besitzt auch ein anderes Sprichwort, das viel Wahres enthält: Dass der Weg, der zum ewigen Leben führt, gerade und eng ist, und dass das Tor, das dazu führt, ebenfalls eng ist, so dass von denen, die Rettung suchen, nur wenige durch dieses Tor Einlass finden können. Ihr habt auch eine Lehre, die sagt, dass der Weg, der zur Zerstörung führt, breit ist, dass der Eingang dazu weit ist, und dass es viele gibt, die diesen Weg gehen. Und dieses Sprichwort ist nicht ohne Bedeutung. Aber ich erkläre, dass die Rettung zuallererst eine Angelegenheit eurer persönlichen Wahl ist. Auch wenn das Tor zum Weg des Lebens eng ist, so ist es doch weit genug, um all die einzulassen, die aufrichtig einzutreten begehren, denn ich bin dieses Tor. Und der Sohn wird nie irgendeinem Kind des Universums den Eintritt verwehren, das aufgrund seines Glaubens den Vater durch den Sohn zu finden sucht.
(1829.1) 166:3.4 Aber hierin liegt die Gefahr für alle, die ihren Eintritt ins Königreich hinausschieben möchten und damit fortfahren, den Vergnügungen der Unreife nachzujagen und sich egoistischer Befriedigung hinzugeben: Nachdem sie die geistige Erfahrung, ins Königreich einzutreten, zurückgewiesen haben, werden sie vielleicht später, wenn die Herrlichkeit des besseren Weges im kommenden Zeitalter offenbar wird, Einlass begehren. Und wenn jene, die für das Königreich nur Verachtung übrig hatten, als ich in Menschengestalt kam, dann einzutreten versuchen, wenn es in göttlicher Gestalt offenbart wird, werde ich zu all diesen Egoisten sagen: Ich weiß nicht, woher ihr kommt. Ihr hattet die Möglichkeit, euch auf diese himmlische Bürgerschaft vorzubereiten, aber ihr habt alle Angebote der Barmherzigkeit abgelehnt; ihr habt alle Einladungen zu kommen ausgeschlagen, solange das Tor offen stand. Jetzt ist das Tor für euch, die ihr die Rettung verschmäht habt, verschlossen. Dieses Tor steht für jene nicht offen, die das Königreich aus selbstsüchtigem Ruhmesstreben betreten möchten. Das Heil ist nicht für diejenigen bestimmt, die nicht willens sind, den Preis der rückhaltlosen Hingabe an die Ausführung des väterlichen Willens zu zahlen. Wenn ihr dem Königreich des Vaters geistig und seelisch den Rücken gekehrt habt, ist es nutzlos, gedanklich und körperlich vor diesem Tor zu stehen, anzuklopfen und zu sprechen: ‚Herr, öffne uns; wir möchten auch groß sein im Königreich.‘ Dann werde ich erklären, dass ihr nicht zu meiner Herde gehört. Ich werde euch nicht empfangen, damit ihr euch unter jene einreiht, die den guten Kampf des Glaubens gekämpft und die Belohnung für ihren selbstlosen Dienst im Königreich auf Erden gewonnen haben. Und wenn ihr sagt: ‚Aber haben wir nicht mit dir gegessen und getrunken, und hast du nicht in unseren Straßen gelehrt?‘ dann werde ich wiederum erklären, dass ihr geistige Fremdlinge seid; dass wir beim barmherzigen Liebeswerk des Vaters auf Erden nicht miteinander dienten; dass ich euch nicht kenne; und dann wird der Richter der ganzen Erde zu euch sagen: ‚Hebt euch weg von uns, ihr alle, die ihr euch an frevelhaftem Tun ergötzt habt.‘
(1829.2) 166:3.5 Aber seid ohne Furcht; jeder, der durch den Eintritt in das Königreich Gottes aufrichtig das ewige Heil zu finden wünscht, wird mit Sicherheit diese ewige Rettung erlangen. Aber ihr, die ihr dieses Heil zurückweist, werdet eines Tages zusehen, wie die Propheten aus Abrahams Samen sich in diesem glorreichen Königreich mit den Gläubigen der heidnischen Nationen zusammensetzen, um das Brot des Lebens zu teilen und sich mit dem Wasser des Lebens zu erfrischen. Und die, die sich des Königreichs mit geistiger Macht und durch die nimmermüden Angriffe des lebendigen Glaubens bemächtigen, werden von Norden und Süden und von Osten und Westen kommen. Und siehe da! Viele der Ersten werden die Letzten sein, und die Letzten werden oft die Ersten sein.“
(1829.3) 166:3.6 Das war allerdings eine neue und seltsame Version des alten und vertrauten Sprichworts vom geraden und engen Weg.
(1829.4) 166:3.7 Langsam begannen die Apostel und viele der Jünger die Bedeutung der frühen Erklärung Jesu zu begreifen: „Ihr könnt nicht ins Königreich Gottes eintreten, es sei denn, ihr seid wiedergeboren, aus dem Geiste geboren.“ Nichtsdestoweniger bleibt es für alle, die aufrichtigen Herzens sind und ehrlich glauben, auf ewig wahr: „Siehe, ich stehe an der Türe der Herzen der Menschen und klopfe an, und wenn jemand mir öffnen will, so will ich hereinkommen und mit ihm zu Abend essen und ihn mit dem Brot des Lebens speisen; wir werden eins sein in Geist und Ziel, und so werden wir auf ewig Brüder sein im langen und erfolgreichen Dienst auf der Suche nach dem Vater im Paradies.“ Und so hängt, ob wenige oder viele gerettet werden, einzig davon ab, ob wenige oder viele auf diese Einladung achten: „Ich bin das Tor, ich bin der neue und lebendige Weg, und wer immer es wünscht, trete ein und mache sich zur endlosen Wahrheitssuche nach dem ewigen Leben auf.“
(1829.5) 166:3.8 Auch die Apostel waren unfähig, seine Unterweisung ganz zu verstehen, dass man nämlich geistige Kraft anwenden muss, um allen materiellen Widerstand zu brechen und jedes irdische Hindernis zu überwinden, das sich etwa dem Erfassen der über alles wichtigen geistigen Werte des im Geiste gelebten neuen Lebens als befreite Söhne Gottes in den Weg stellen könnte.
(1830.1) 166:4.1 Während die meisten Palästinenser nur zwei Mahlzeiten am Tag einnahmen, pflegten Jesus und die Apostel, wenn sie unterwegs waren, am Mittag eine Pause zum Ausruhen und zur Erfrischung einzulegen. Bei so einem mittäglichen Halt auf dem Weg nach Philadelphia war es, dass Thomas Jesus fragte: „Meister, nach dem, was du heute Vormittag unterwegs geäußert hast, möchte ich mich gerne erkundigen, ob geistige Wesen an der Herbeiführung seltsamer und außerordentlicher Ereignisse in der materiellen Welt beteiligt sind, und dich außerdem fragen, ob Engel und andere Geistwesen in der Lage sind, Unfälle zu verhüten.“
(1830.2) 166:4.2 In Beantwortung der Frage von Thomas sagte Jesus: „Schon so lange bin ich jetzt bei euch, und trotzdem fahrt ihr fort, mir derartige Fragen zu stellen. Habt ihr denn nicht bemerkt, wie der Menschensohn als einer von euch lebt und es konsequent ablehnt, die Kräfte des Himmels für seinen persönlichen Lebensunterhalt einzusetzen? Leben wir nicht alle durch dieselben Mittel wie alle anderen Menschen? Seht ihr, dass sich die Macht der geistigen Welt im materiellen Leben dieser Welt irgendwie manifestiert, außer in der Offenbarung des Vaters und der gelegentlichen Heilung seiner leidenden Kinder?
(1830.3) 166:4.3 Allzu lange haben eure Väter geglaubt, Wohlstand sei ein Zeichen göttlicher Zustimmung und Unglück ein Beweis von Gottes Missfallen. Ich erkläre, dass solche Vorstellungen Aberglaube sind. Bemerkt ihr nicht, dass eine viel größere Zahl von Armen das Evangelium freudig annimmt und augenblicklich ins Königreich eintritt? Wenn Reichtum göttliche Gunst beweist, warum lehnen die Reichen es dann so oft ab, an die guten Nachrichten vom Himmel zu glauben?
(1830.4) 166:4.4 Der Vater lässt es auf die Gerechten und die Ungerechten regnen, und die Sonne scheint ebenso auf die Rechtschaffenen wie auf die Sünder. Ihr habt von jenen Galiläern gehört, deren Blut Pilatus mit den Opfern vermischte. Aber ich sage euch, diese Galiläer waren in keiner Weise größere Sünder als ihre Mitbürger, nur weil ihnen dies zustieß. Ihr habt auch von den achtzehn Männern gehört, auf die der Turm von Siloa fiel und sie tötete. Denkt nicht, dass die auf diese Weise Umgekommenen größere Sünder als ihre Brüder in Jerusalem waren. Diese Leute waren einfach unschuldige Opfer eines der zeitlichen Unfälle.
(1830.5) 166:4.5 Es gibt drei Gruppen von Vorkommnissen, die in eurem Leben eintreten können:
(1830.6) 166:4.6 1. Ihr könnt an den normalen Geschehnissen teilhaben, die zu dem Leben gehören, das ihr und eure Gefährten auf der Erde lebt.
(1830.7) 166:4.7 2. Ihr könnt zufälligerweise Opfer eines Naturereignisses, eines menschlichen Missgeschicks werden, und dabei sehr wohl wissen, dass solche Begebenheiten in keiner Weise vorgeplant oder anderswie durch die geistigen Kräfte der Welt herbeigeführt worden sind.
(1830.8) 166:4.8 3. Ihr könnt die Früchte eurer direkten Bemühungen ernten, mit den Naturgesetzen, welche die Welt regieren, zusammenzuarbeiten.
(1830.9) 166:4.9 Es gab da einen Mann, der in seinem Hof einen Feigenbaum pflanzte. Und nachdem er viele Male nach Früchten Ausschau gehalten und keine an ihm gefunden hatte, rief er die Winzer zu sich und sagte: ‚Nun habe ich schon dreimal zur Erntezeit an diesem Feigenbaum nach Früchten gesucht und keine gefunden. Legt diesen unfruchtbaren Baum um; warum sollte er unnützen Platz einnehmen?‘ Aber der Hauptgärtner antwortete seinem Meister: ‚Lass ihn noch ein Jahr stehen, damit ich um ihn herum graben und Dünger hineingeben kann; und sollte er dann nächstes Jahr wieder keine Frucht tragen, wird er umgehauen.‘ Und nachdem sie den Gesetzen der Fruchtbarkeit in dieser Weise Rechnung getragen hatten und da der Baum lebendig und gut war, wurden sie mit reichlichem Ertrag belohnt.
(1831.1) 166:4.10 Was Krankheit und Gesundheit anbelangt, so solltet ihr wissen, dass diese körperlichen Zustände das Resultat materieller Ursachen sind; Gesundheit ist nicht das Lächeln des Himmels, noch ist Leiden das Stirnrunzeln Gottes.
(1831.2) 166:4.11 Des Vaters menschliche Kinder haben alle die gleiche Fähigkeit zur Entgegennahme materieller Segnungen; deshalb lässt er den Menschenkindern physische Dinge unterschiedslos zukommen. Wenn es um die Vergabe von geistigen Geschenken geht, ist der Vater durch die Fähigkeit der Menschen, diese göttlichen Gaben entgegenzunehmen, beschränkt. Obwohl der Vater keine Unterschiede der Person kennt, ist er bei der Austeilung der geistigen Gaben durch den Glauben des Menschen und seine Bereitschaft, sich stets dem Willen des Vaters zu fügen, begrenzt.“
(1831.3) 166:4.12 Als sie auf Philadelphia zuwanderten, fuhr Jesus fort, sie zu unterrichten und ihre Fragen über Unfälle, Krankheit und Wunder zu beantworten, aber sie waren nicht imstande, diese Unterweisung ganz zu verstehen. Eine Stunde Unterricht wird die Überzeugungen eines ganzen Lebens nicht völlig verändern, und so fand Jesus es nötig, seine Botschaft zu wiederholen und ihnen das immer wieder zu sagen, was er ihnen beizubringen wünschte; und selbst dann waren sie außerstande, die Bedeutung seiner Erdenmission vor seinem Tod und seiner Auferstehung zu erfassen.
(1831.4) 166:5.1 Jesus und die Zwölf befanden sich auf dem Weg zu Abner und seinen Mitarbeitern in Philadelphia, wo diese predigten und lehrten. Von allen Städten Peräas nahm in Philadelphia die größte Gruppe von Juden und Nichtjuden, Reichen und Armen, Gebildeten und Ungebildeten die Unterweisungen der Siebzig an und trat ins Königreich des Himmels ein. Die Synagoge von Philadelphia hatte nie der Oberaufsicht des Sanhedrins von Jerusalem unterstanden und war deshalb für die Lehren Jesu und seiner Mitarbeiter nie verschlossen worden. Zu dieser Zeit predigte Abner dreimal am Tag in der Synagoge von Philadelphia.
(1831.5) 166:5.2 Dieselbe Synagoge wurde später eine christliche Kirche; sie war das Missionshauptquartier für die Verbreitung des Evangeliums in den ostwärts gelegenen Gebieten. Lange Zeit war sie eine Hochburg der Lehren des Meisters und stand jahrhundertelang allein in dieser Gegend als christliches Studienzentrum.
(1831.6) 166:5.3 Die Juden von Jerusalem hatten mit den Juden von Philadelphia immer Schwierigkeiten gehabt. Und nach dem Tod und der Auferstehung Jesu begann die Kirche von Jerusalem, deren Haupt Jakobus, der Bruder des Herrn, war, mit der Gemeinde der Gläubigen von Philadelphia ernsthafte Schwierigkeiten zu haben. Abner wurde das Haupt der Kirche von Philadelphia und blieb es bis zu seinem Tod. Und diese Entfremdung mit Jerusalem erklärt, weshalb die Evangeliumsberichte des Neuen Testaments Abner und sein Werk nie erwähnen. Die Fehde zwischen Jerusalem und Philadelphia dauerte, solange Jakobus und Abner lebten und noch bis einige Zeit nach der Zerstörung Jerusalems. Philadelphia war wirklich ebenso sehr Hauptquartier der frühen Kirche im Süden und Osten wie Antiochia im Norden und Westen.
(1831.7) 166:5.4 Abner widerfuhr das scheinbare Unglück, mit allen Führern der frühen christlichen Kirche uneins zu sein. Er überwarf sich mit Petrus und Jakobus (Jesu Bruder) in Fragen der Verwaltung und Rechtsprechung der Kirche von Jerusalem und er trennte sich von Paulus wegen Meinungsverschiedenheiten in Philosophie und Theologie. Abner war in seiner Philosophie mehr babylonisch als hellenistisch, und er widersetzte sich hartnäckig allen Versuchen des Paulus, Jesu Lehren so umzuformen, dass in den Hintergrund gerückt wurde, was auf den Widerspruch zuerst der Juden und dann der griechisch-römischen Anhänger der Mysterienkulte stieß.
(1832.1) 166:5.5 Und so wurde Abner zu einem Leben in der Isolation gezwungen. Er war das Haupt einer Kirche, die in Jerusalem kein Ansehen genoss. Er hatte es gewagt, Jakobus, den Bruder des Herrn, herauszufordern, der später die Unterstützung des Petrus genoss. Diese Haltung trennte ihn gänzlich von all seinen früheren Mitarbeitern. Dann wagte er es, Paulus die Stirn zu bieten. Obwohl er mit der Mission des Paulus bei den Nichtjuden völlig übereinstimmte und ihn bei seinen Auseinandersetzungen mit der Kirche in Jerusalem unterstützte, widersetzte er sich erbittert der Version der Lehren Jesu, die Paulus zu predigen gewählt hatte. In seinen letzten Jahren prangerte Abner Paulus als den „geschickten Verderber der Lebenslehren Jesu von Nazareth, des Sohnes des lebendigen Gottes“, an.
(1832.2) 166:5.6 Während der späteren Lebensjahre Abners und noch einige Zeit danach hielten sich die Gläubigen von Philadelphia enger als irgendeine andere Gemeinde auf Erden an die Religion Jesu, wie er sie gelebt und gelehrt hatte.
(1832.3) 166:5.7 Abner wurde neunundachtzig Jahre alt und starb in Philadelphia am 21. November 74. Und bis an sein Ende glaubte und lehrte er treu das Evangelium vom himmlischen Königreich.